Just for Fun Express HR2-Bericht 2020

"Just for Fun" in Darmstadt:
Express-Straßentheater im Hinterhof

Esther Boldt| 18.08.20 

Das 27. Straßentheaterfestival geht über die Bühne – allerdings nicht auf der Straße, sondern in Hinterhöfen vor registriertem Publikum, in privaten Gärten und bei verschiedenen Kulturinitiativen. Funktioniert das? Aber ja!

Etwa auf einer kleinen Open-Air-Bühne hinter dem Theater Moller-Haus, das ist DIE freie Spielstätte in Darmstadt. Hier hat das Lastenfahrrad am ersten Wochenende von „Just for Fun Express“ geparkt, denn mit dem Lastenfahrrad wird die technische Ausrüstung der Künstlerinnen und Künstler an den jeweiligen Spielort gebracht.

Und was wird da durch den Stadtraum bewegt? Welche Künstler treten auf?

Ein kleines, feines, knapp einstündiges Kleinkunst-Programm, das natürlich auch vor einem stark ausgedünnten Publikum stattfindet. Da trifft man – natürlich – ich Rainer Bauer, beziehungsweise seine Kunstfigur Herbert Faulhaber, denn der Schauspieler hat einen Beruf für sich erfunden, von dem ich bislang noch nie etwas gehört habe: Er macht Bürokomik.

Und so betritt Herbert Faulhaber im beigen Anzug die Bühne und präsentiert dort unter anderem seine umfangreiche Kugelschreibersammlung: Er schreibt jedem Kugelschreiber anhand seinem Klick-Geräusch einen bestimmten Charakter zu. Er entwirft die zärtliche Karikatur von einem spießigen, detailverliebten Bürokraten, die verblüffenderweise tatsächlich sehr komisch ist.

Das Darmstädter Duo elabö, Anne Holdik und Mitja Averhoff. Sie erzählen eine turbulente Paargeschichte, in der sie ihn immer wieder aus den Konzept bringt, irritiert mit spontanen Aktionen, aber diese Geschichte ist eher nur der Vorwand ist für eine ziemlich beeindruckende, blitzschnelle Partnerakrobatik.

Und schließlich erzählt die Schattentheaterspielerin Carola Kärcher nur mit ihren Händen und etwas Licht die poetische Geschichte des Magiers Jean Philip de Lumière aus Paris.

Und wie war die Stimmung, die Atmosphäre im Theater Moller-Haus? Konnten Sie trotz der Hygiene- und Abstandsregeln eintauchen in die Show?

Auf jeden Fall. Ich war bei der Premiere, und man deutlich die Freude der Künstlerinnen und Künstlern gespürt, zum ersten Mal nach fast 5 Monaten endlich wieder vor Publikum stehen zu können. Und auch das Publikum wirkte erleichtert und geradezu theaterhungrig. Das hat recht schnell eine komplizenhafte Atmosphäre erzeugt, Künstler und Publikum waren Verbündete.

Und als es dann langsam dämmerte und Carola Kärcher nur mit ihren Händen allerlei Lebewesen zum Erscheinen brachte, von Häschen über die Schildkröte bis zum Haifischen, dann war das durchaus magisch.

Klingt rundheraus nach einer Empfehlung!

Ja, ohne Wenn und Aber. Es gibt noch zahlreiche Gelegenheiten, das durch Darmstadt reisende Straßentheaterfestival zu besuchen, und ich kann nur empfehlen, sie wahrzunehmen.

Die Fragen stellte Rosemarie Tuchelt
Sendung: hr2-kultur, 18.8.2020, 7:30 Uhr

Veröffentlicht am 18.08.20 um 08:09 Uhr

Quelle: © hr2